Bericht zum ersten Einsatz eines TSWH bei der damaligen tschechoslowakischen Grenzwache:

URZO - oder wie ich den Wolf gefangen habe

Urzo war nicht der erste Hund, den ich in Militär trainiert habe. Es war auch kein rassenreiner Hund. Es war ein Wolf, besser gesagt, es handelte sich um einen Tschechoslowakischen Wolfhund. Das ist eine Hunderasse, in deren Adern, versteckt unter den grauen Pelzen, zusammen mit Blut des deutschen Schäferhundes wildes, uraltes Wolfsblut fliesst. Mit «Wölfen», wie wir sie genannt haben, habe ich mich erst in Libejovice besser vertraut gemacht, wo die Unteroffizierschule der Hundeführer war. Genau dort wurde ich zu der Bratislava-Brigade zugeteilt, die aus 30 Arbeitshunden davon etwa 20 «Wölfen» bestand.  Meine Meinung über sie war damals nicht gerade positiv. Es handelte sich um Hunde unterschiedlicher Grösse, ziemlich hellgrau gefärbt, mit deutlicher Maske und grüngelben Augen. Charakter war auch sehr unterschiedlich. Vielleicht deshalb, weil in dieser Zeit viele von ihnen direkte Nachkommen vom Wolf waren. Einige waren sehr zurückhaltend, vorsichtig, oder hinterlistig.  Die andern wiederum scharf und gefährlich, mit der Fähigkeit zu bewachen und sein Revier zu verteidigen. Diese hatten die zusammenfassende Bezeichnung «SUPi» (Selbsteingreifende Hunde). Und Hundeführer? Ausser der Verpflegung haben sie die nicht wirklich gebraucht. Doch es gab auch phlegmatische Hunde. Also ging es um eine sehr unausgeglichene neue Rasse. Diese Hunde waren vielmals sehr schwer trainierbar und vielen Soldaten, welche sie nicht gleich verstanden haben, haben sie ziemlichen Kummer bereitet. Viele grosse Vorteile muss man doch dieser Rasse zuschreiben. Kein Hindernis auf dem Platz, oder im Terrain war für sie unüberwindlich und wurde elegant und problemlos von ihnen bewältigt. Sie sind unendlich ausdauernd, aber auch treu zu demjenigen, der ihr Herz erobert hat. Sie waren fähig, in freier Natur zu überleben. 

Wieso aber schreibe ich diese Erinnerung Ihnen, die mit ihren vierbeinigen Kameraden nicht anders als fest angeleint rausgehen?
Trotz den zahlreichen Ratschlägen über ein Abruf Training?
Damit Sie begreifen, dass man auch so anfangen kann: ich habe gerade den Instruktor der Hundeführereinheit bei der Grenzwache gemacht, als in der Zucht der deutschen Schäferhunde die Hunde an Parvovirose verendet sind. Zusätzlich wurde damals bei uns ein älterer Hund pensioniert und ich habe für seine Stelle einen Junghund gebraucht. Nicht zum Trotz musste ich einen «Wolf « holen.  Früh morgens nach der Tagwache habe ich mich auf den Weg zum Bahnhof in Valtice gemacht und von hier aus mit dem Schnellzug Richtung Malacky. Genau dort in der Slowakei hat sich die Zuchtstation der Tschechoslowakischen Wolfhunde befunden, gezüchtet für das Innerministerium. Dort hat mich auch unser Neuzugang erwartet. Als ich gegen Abend zurückgekehrt bin, war ich müde, aber zufrieden. Neben mir hat «Wolf» Urzo getrabt. Wunderschönes Exemplar seiner Rasse, über 70 cm gross, hellgrau mit prächtiger Mähne, der Kopf fast weiss, nur die Schnauze war schwarz eingerahmt. Schon auf dem Heimweg wurde er von den Mitreisenden bewundert und unsere Ankunft in die Einheit hat sein verdientes Interesse erweckt. Diejenige, die Diensthunde auf dem Tagesprogramm haben, musste er einfach extra ansprechen. Viele Fragen prasselten auf uns ein. Ich habe meistens mit Kopfschütteln oder Schultern zucken geantwortet. Ich habe ihn nicht gekannt und deshalb auch keine Antwort gehabt. Gefühlt habe ich nur Kummer. Urzo ist da nur so stolz gestanden, hat alle ignoriert, als wenn er die Aufmerksamkeit genossen hätte. Schlussendlich habe ich ihn in seinen Zwinger gebracht und wir sind schlafen gegangen.
Es gibt aber Momente, wenn ihr in einer Bruchsekunde, auch aus dem tiefsten Schlaf erwacht und sofort auf den Beinen steht. Das ist passiert, als mich plötzlich die Stimme des Wachmanns erreicht, hat: «Stehe auf, stehe auf, dein Wolf ist ausgebrochen». Ich bin zum Zwinger gesprungen und tatsächlich, Türe offen, Hebel auf die Seite geschoben und der Hund war nirgends. Bei der Einheit war er nicht. Ich bin in die Nacht rausgerannt und auf dem Nachbarsfeld, habe ich ihn stehen sehen. Seine Silhouette ragte bewegungslos in der Weite in Richtung Himmel, wie mit dem Untergrund zusammengewachsen. Er sah riesig aus. Er war frei und nirgends irgendein Zaun oder Gitter. In seiner majestätischen Pose hat er mich konzentriert beobachtet. Hinter ihm erstreckte sich ein Meer von Feldern, das zu den Laubwäldern und hellen Sternen über ihm abfiel. Es waren Millionen von deren. Plötzlich begann ich den weiten, wie unendlichen Raum wahrzunehmen, den ich während der Nachtdienste so sehr liebte. Es herrschte Stille, und ich versuchte, auf ihn zuzugehen und ihm mit überzeugender Stimme zu schmeicheln. Auf Abruf hat er nicht reagiert. Im Gegenteil, das Kommando drohte das Gegenteil zu erreichen. Zum Glück habe ich es sofort gespürt und beendet. Wiederholt hat er mich auf die Distanz von etwa dreissig Meter zu sich gelassen und dann ist er wieder weggelaufen. Er kam mir so vor, als er da so stand, wie ein angespanntes Reh, das sich die nähernde Gefahr spürt und hat sich dann doch nicht zum Absprung entschieden.
Was soll ich tun, wie soll ich ihn fangen, bevor er sich erschreckt und unwiderruflich in den, für ihn unbekannten Wäldern verschwindet? Damals wusste ich noch nicht, dass er sein Rudel vermisst und die Absenz der Sicherheit des Rudels zwingt ihn auf dem Platz zu verweilen. Plötzlich war er allein in fremder Umgebung und wusste nicht, wie weiter. Mir gingen Erinnerungen Kopf an ähnliche Situationen in Libejovice durch den Kopf. Dort wurde ein solcher Flüchtling, der auf den Abruf nicht reagierte, von einer ganzen Einheit im Schlosspark umzingelt. Normalerweise haben wir den verängstigten Hund in das Tor des Parkplatzes geschoben und ihn dann irgendwo unter der geparkten Tatra eingekreist. Ganz verängstigt hat ihn dann sein Hundeführer angeleint und er gehörte wieder uns.

Nun war ich auf Urzo ganz allein, ohne Möglichkeit auf eine Unterstützung und relativer Sicherheit der Zäune…. Urzo ist wieder weggerannt. Er verschwand in der Dunkelheit. Ich weiss nicht, wie oft er so mit seiner Umgebung verschmolzen ist. Wenn er wollte, konnte er es perfekt machen. Aber ich wusste bereits, dass er noch da draussen war. Und ich fand ihn nach einer Weile wieder. Endlich habe ich aufgehört mich verrückt zu machen, setzte mich und habe angefangen zu überlegen. Plötzlich schoss mir ein bekanntes Bild von Burian durch den Kopf, dass ich in einem Abenteuerbuch sah. Indianer Jäger schleichen sich an eine Bisonherde heran und lassen sich ein Wolfsfell über den Rücken drapieren. Warum sollte ich es nicht versuchen? Ich habe zwar riskiert, dass sobald ich mich entferne, Urzo nie wieder sehen würde, aber das, was ich brauchte, war bei meiner Einheit. Als ich zurückkam, muss es ein Anblick für die Götter gewesen sein. Ein magerer schwarzhaariger Junge, der nur grüne Shorts trug und einen Militärschlafsack über seinen Rücken drapierte und über seinen Kopf zog. Ich bin auf allen vieren gekrochen und aus meinem Mund kam so ein Möchtegern Wolfsgeheule «wauuu, wauiiii, auuuu…iiii…». Urzo stand auf dem Platz, wo ich ihn erst verlassen habe. Er war ganz angespannt, Ohren gespitzt, Rute auch und konzentriert hat er mich beobachtet. Er ist nicht weggerannt. Er hat gewartet, was die neue Situation mit sich bringt. Ich bin nicht direkt auf ihn zugekrochen, sondern habe ich versucht um ihn herum zu kreisen, wie er mich nicht interessieren würde, habe mich aber dabei unauffällig genähert. Die Kreise um ihn herum wurden kleiner. Es waren nicht mehr hundert, oder fünfzig Meter. Auch nicht dreissig Meter haben uns getrennt. Als er sich plötzlich bewegt hat und er seine Haltung geändert hat, war ich erstarrt.  Werde ich das ganze wiederholen? Ich habe jedoch die Richtigkeit des Verfahrens nicht in Frage gestellt. Er war mir nicht mehr so ​​nahe gewesen, seit ich ihn „jagen“ gegangen war. Wenn er gerannt ist, dann nicht mehr davon, sondern um mich herum. Als wenn er jagen und spielen möchte. Ich wurde erleichtert. In diesem Moment hörte die Zeit auf zu existieren. Ich hüpfte wie ein Welpe, senkte meine ausgestreckten Arme und heulte und heulte und wimmerte. Ich weiss nicht, wie lange er gebraucht hat, um keine Angst mehr zu haben und mich zu akzeptieren. Es waren Hunderte von flüchtigen Berührungen, bevor ich ihn endlich am Kragen festhalten konnte. Meine Knie und Hände waren schwarz vom feuchten Lehm, aber Urzo ging mit mir, und ich ging mit ihm zurück in die Einheit. Vielleicht lag es an meinem abenteuerlustigen Blut, das ich von meinen Vorfahren geerbt habe, vielleicht auch, weil es bei mir funktioniert hat und ich das vorsichtige Tier gefangen habe. Jedenfalls war es nicht mehr nur ein Hund und ein Wolf, sondern vor allem mein Hund.

Aus dem Nichts fing ich an, ihn wirklich zu mögen.Urzo flüchtete später noch viele Male aus den Zwingern, es war ein Sport, mit dem er seinen Aufenthalt in der Einheit abwechslungsreich machte. Dort wurde er bald domestiziert und kannte die Gegend wie seine Westentasche. Mit der Zeit probierte ich alle möglichen Arten des Schliessens aus und er überwand alle, selbst die Anspruchsvollsten. Er war ein unglaublich intelligenter und ausdauernder Hund. Aber jedes Mal, wenn die Wache mich anrief, wieder wegzulaufen, war ich nicht aufgeregt. Niemand sonst konnte ihn in einer solchen Situation rufen. Und es genügte, dass ich heule, und nach einer Weile rannte er wie der Wind auch aus den grössten Entfernungen, wenn er meinen "Wölfischen"-Ruf hörte.

Es gibt immer diesen Moment im Militär, in der es Zeit wird, einem Hundefreund für alles Gute zu danken und sich zu verabschieden. So kam unsere Zeit, als ich Urzo meinem Kollegen Karl Nováček übergeben musste. Er war ein erfahrener Hundeführer und ich wusste, dass er gute Nerven hatte und den Hund nicht schlecht führen würde. Allerdings musste ich meinen Kontakt zu Urzo komplett abbrechen. Karel beschwerte sich, dass er, sobald ich auftauchte, mit dem Training aufhören würde, nur jammerte und mich wollte. Dieser Wolf hatte im Laufe der Zeit einen perfekten Abruf und diente Karl nachts wegen seiner Zähigkeit und Unabhängigkeit als selbstangreifender Hund.

Trotzdem erlebten Urzo und ich noch viele weitere Ereignisse, bevor ich ins zivile Leben ging. Aber wenn er in der Ferne "verloren" war, war es nur meins: "Auuu…, wauiii", das ihn sofort zurückbrachte, obwohl ich nicht mehr derjenige war, der heulte. Wenn ich heute irgendwo dem "Wolf", so einem wunderschönen Tier mit einem kalten, oft ratenden Blick begegne, kann ich mich der Meinung anderer Kynologen nicht anschliessen, dass es ein nutzloser Hund ist. Auch heute, nach über zwanzig Jahren, erinnere ich mich oft an Urzo. In meinen Gedanken bleibt er für immer mein Hund.

Liebe Leser. Je mehr Sie zusammen den Spass geniessen und sich gegenseitig positiv beeinflussen, desto reicher und stärker werden Ihre Beziehungen und desto besser werden Sie einander verstehen.Was soll man anschliessend noch sagen? Jetzt wissen sie schon die Antwort auf das Wissen, wie anzufangen und später ihrem Hund das Kommando «Zu mir» beizubringen. Es ist nichts Schweres. Vielleicht muss man manchmal einfach den richtigen Weg zu seinem Herz finden. 

Der letzte Sommergruss an alle Wilden und ihre Besitzer

von Ivo Eichler      
Ramo, Hundeausbildung

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Ivo Eichler beschäftigt sich seit 1980 mit Problemverhalten der Hunde. Er praktiziert die Methode des voneinander Lernens mit seinen Hundeklienten. Es geht darum, die richtigen Gewohnheiten einzuprägen oder Fehler in ihren Handlungen zu beseitigen. Ivo Eichler absolvierte die Unteroffizierschule für Hundeführer und arbeitete ab 1982 als Ausbilder für Anfänger im «KK Zlín».Er besitzt die goldene Plakette Modelltrainer MSKS 1. Grad, die höchste Auszeichnung für Hundetrainer. Mit mehreren Hunden hat er die höchsten Leistungsprüfungen vielseitiger Hunde nach NZŘ und IPO erfolgreich bestanden. Er nahm an mehreren nationalen Meisterschaften und Meisterschaften der damaligen Tschechoslowakischen Republik in der Leistung von Diensthunden teil (sog.: 500 Punkte). Dreizehn Jahre lang arbeitete er einmal im Monat für die Rubrik "Beratung" der Zeitschrift «Pes pritel člověka» («Hund, der Freund des Menschen»), schrieb drei Bücher zu Trainingsfragen und der Lösung von Fehlverhalten von Hunden und nahm eine DVD - Grundlagen der Hundeerziehung auf.Im April 1994 gründete er die erste private Hundeschule in der damaligen Tschechoslowakei, die er bis heute ununterbrochen führt.Im April 1994 gründete er die erste private Hundeschule in der damaligen Tschechoslowakei, die er bis heute ununterbrochen führt – Hundeschule «RÁMO».

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Übersetzt aus dem Tschechischen von Olga Hirsbrunner